Helden braucht man nicht

Gernot Mischitz

Helden sind heutzutage en vogue. Ob im Sport, in der Wirtschaft oder in der Politik, Wesentliches und Wichtiges erwartet man nur von echten Kerlen und Powerfrauen. So mancher „Held“, so manche „Heldin“ hat freilich schon tragisch geendet, Enttäuschung vorprogrammiert.

Woher kommt dieses Bedürfnis von uns Menschen, uns an scheinbar wichtigeren und mächtigeren Persönlichkeiten zu orientieren? Brauchen wir wirklich den starken Mann, die starke Frau, die es für uns richten?

In der Bibel werden solche Helden und Führerfiguren oft negativ gezeichnet: Der Pharao unterdrückt das Volk Israel; König David missbraucht seine Macht, um einem anderen die Frau wegzuschnappen; König Herodes lässt männliche Neugeborene töten, um jede Konkurrenz auszuschalten. House of Cards auf biblisch.

Macht kommt in der Heiligen Schrift meist nicht gut weg. Dennoch erzählt die Bibel hundertfach, dass sich Menschen von der Verführung zur Macht blenden lassen. Groß sein zu wollen, ist scheinbar menschlich; und wenn man nicht selber groß sein kann, dann will man zumindest am Glanz und an der Glorie der Reichen und Schönen und Einflussreichen teilhaben, damals wie heute.

Demgegenüber setzt die biblische Botschaft einen anderen Akzent. In Psalm 33 wird Gott allein die Ehre gegeben, denn „er liebt Gerechtigkeit und Recht; die Erde ist voll der Güte des HERRN.“ Der Willkür der Herscher und Despoten wird die Gerechtigkeit Gottes entgegengesetzt, eine Gerechtigkeit, die zugleich Güte ist.

Gerechtigkeit und Recht sind die Insignien Gottes, die er am Berg Sinai in Geltung setzt: Die zehn Gebote als Leitpflöcke für ein Gott wohlgefälliges und sozial verträgliches Leben in menschlicher Gemeinschaft. Die Gebote, die Gesetze Gottes sind keine Einschränkungen, sondern eröffnen Freiheit: Eine Freiheit, die jenseits der Willkür des Stärkeren liegt.

Gottes Güte findet ihre menschliche Entsprechung in der Erfüllung des höchsten Gebotes: „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst“. Oder mit den Worten von Rabbi Hillel: „Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht. Das ist die ganze Tora, alles andere ist nur Erläuterung“.

Wer so denkt, wer sich an der Gerechtigkeit und Güte Gottes orientiert, braucht keine Helden. Vor Gott sind alle Menschen gleich. Mächtige und Machtlose werden gleichermaßen an Gottes Geboten gemessen. Macht und Stärke jedoch bieten vor Gott nur trügerische Sicherheit. Das weiß schon Psalm 33,16, die Tageslosung für den 29. September: „Einem König hilft nicht seine große Macht; ein Held kann sich nicht retten durch seine große Kraft.“

Gernot Mischitz (47) ist seit 2018 Pfarrer in der Lukaskirche Leonding.